Ehrenamtliche sollen zahlen
Baden-Württemberg - Ersthelfer in Waghäusel sollen für Digitalfunk selbst aufkommen
Wer bestellt, zahlt. Was in der Gastronomie und in der Gesellschaft Geschäftsgrundlage ist, gilt in der Politik noch lange nicht. Kommunen stöhnen zunehmend über Zusatzaufgaben, die ihnen von Land und Bund auferlegt werden, ohne dass der nötige Kostenersatz erfolgt. Dies zeigt sich aktuell in der Diskussion um die Kosten für die Umrüstung auf Digitalfunk, die den ehrenamtlichen Rettungsdienst betrifft. Für ihre Rufbereitschaft sind die Ersthelfer auf die moderne Technik angewiesen – und sollen nach einer Entscheidung des Landes Baden-Württemberg selbst dafür aufkommen.
„Der DRK-Ortsverein Waghäusel ist schon im November auf uns zugekommen mit dem Antrag, die Umrüstung ihrer Fahrzeuge auf Digitalfunk zu bezuschussen“, informiert Thomas Deuschle, Oberbürgermeister in Waghäusel (CDU). Das DRK habe in dem Antrag darauf verwiesen, dass das Land Baden-Württemberg keine Zuschüsse gebe. Dabei gehe es um rund 15.000 Euro. Die Leitstellen kommunizieren künftig nur noch über Digitalfunk, darauf sei das DRK also angewiesen.
„Ich habe das Thema dann mitgenommen in eine Bürgermeister-Kreisversammlung“, berichtet Deuschle und erfuhr dort, dass auch andere Kommunen mit dem Thema konfrontiert sind. Einige gewähren Zuschüsse, um das DRK zu unterstützen. Waghäusel habe sich auch dazu entschlossen und übernimmt die Hälfte der Kosten, um die Arbeit des DRK vor Ort zu sichern.
Waghäusels Oberbürgermeister kritisiert die Landespolitik
Deuschle kritisiert die Landespolitik: „Ich finde das allerdings ein Unding seitens des Landes“, moniert das Stadtoberhaupt. Besonders ärgert ihn, dass auch die laufenden Kosten für den Digitalfunk auf die Ortsvereine abgewälzt werden.
Daniel Schneider, DRK-Kreisgeschäftsführer und Vorsitzender des DRK-Ortsverbands Waghäusel, teilt diesen Unmut. Die Umrüstung von analoger auf digitale Technik sei notwendig und sinnvoll, daran hat er keinen Zweifel. Denn mit der Einführung des Digitalfunks stehe den Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) nun ein einheitliches modernes Funknetz zur Verfügung.
Der hauptamtliche Teil des DRK, also der Kreisverband, der auch die Leitstelle betreibt, sei bereits umgerüstet und funke mittlerweile ausschließlich digital, informiert der Kreisgeschäftsführer. Die ehrenamtlichen Strukturen, also die Ortsvereine, seien hingegen noch dabei, Zug um Zug umzurüsten. Denn es sei absehbar, dass auf analogem Wege irgendwann keine Leitstelle mehr zu erreichen sei. Und ohne diese Funkverbindung kann der Rettungsdienst nicht funktionieren.
Thomas Deuschle
Oberbürgermeister von WaghäuselIch finde, das ist ein Unding von Seiten des Landes.
Die Ortsvereine treiben nun die Umstellung der Fahrzeuge voran, was jedoch mit erheblichen Kosten verbunden sei. Manche Ortsvereine kämen dabei an ihre finanziellen Grenzen. „Der Ortsverein Waghäusel hat im Gemeinderat ein Angebot für 15.000 Euro eingereicht und bewilligt bekommen, damit können wir drei Fahrzeuge ausstatten“, informiert Schneider. Der Ortsverein verfüge aber über sechs Fahrzeuge, die anderen drei habe man bereits umgerüstet – auf eigene Rechnung.
Doch nun soll der Ortsverein auch noch die laufenden Betriebskosten für die mobilen Handgeräte aus eigener Tasche übernehmen. Bei zehn Geräten sind das nochmals rund 1.000 Euro im Jahr an zusätzlichen Kosten. „Das ist schon bemerkenswert, dass das Land uns den Digitalfunk auferlegt und gleichzeitig noch die Betriebskosten einstreicht“, moniert der Ortsvereinsvorsitzende. Andere Bundesländer, betont er, übernähmen diese laufenden Kosten.
Ein Lichtblick sei, dass zumindest Städte, Gemeinden und Landkreise Zuschüsse gewähren. Betroffen sind laut Schneider alle 86 DRK-Ortsvereine gleichermaßen. Die Zuschussregelungen seien jedoch völlig unterschiedlich, die eine Stadt zahle gar nichts, die andere alles, wieder andere übernähmen die Hälfte der Kosten. So wie in Waghäusel.
Auch der Gemeindetag Baden-Württemberg ist mit der aktuellen Situation unzufrieden. Thomas Nowitzki, CDU-Bürgermeister von Oberderdingen und Vizepräsident des Gemeindetags Baden-Württemberg, kennt die Sorgen seiner Bürgermeisterkollegen, die sich mit immer neuen Zusatzleistungen konfrontiert sehen. Er kritisiert die Grundsatzentscheidung, die die Landesregierung vor etwa einem Jahr getroffen hat, die Notfallhilfe als Freiwilligkeitsleistung der Kommunen zu betrachten.
Stuttgarter Ministerium antwortet nicht auf die Frage nach dem Digitalfunk
Der Gemeindetag hält dagegen, dass das Land diese Freiwilligkeitsleistung von den Kommunen nicht einfordern könne. Richtig wäre nach Einschätzung des Gemeindetags eine andere Grundsatzentscheidung im Blick auf die Notfallhilfe. In Oberderdingen habe das DRK die Umrüstung auf Digitalfunk aus eigenen Vereinseinnahmen bezahlt, bekundet Nowitzki.
Seine Haltung: „Wir sind nicht zufrieden mit dieser Lösung, denn angesichts der Finanzsituation der Städte und Gemeinden, müssen ja vielerorts die Freiwilligkeitsleistungen auf den Prüfstand gestellt werden“.
Auf Nachfrage verweist die Pressestelle des Innenministeriums auf „handfeste Verbesserungen für den Bevölkerungsschutz“, die man in jüngster Zeit umgesetzt habe. Das Ministerium nennt das Recht auf Freistellung vom Arbeitsplatz für ehrenamtliche Kräfte bei außergewöhnlichen Einsatzlagen und den Ausgleich eines möglichen Verdienstausfalles.
Darüber hinaus sei die Pauschale für katastrophenschutzbezogene Aufwendungen der Hilfsorganisationen, etwa für Ausbildung oder Schutzausstattung, auf 130 Euro pro Jahr pro Helfer festgelegt worden. Die Frage nach der Kostenübernahme für den Digitalfunk bleibt jedoch unbeantwortet.
Foto: Für die Alarmierung im Notfall sind die Rettungshelfer des DRK Waghäusel auf die neuen Digitalfunkgeräte angewiesen. Die Hälfte der Geräte haben sie aus eigenen Mitteln angeschafft, für die andere Hälfte kam die Stadt Waghäusel auf.
Quelle und Foto: Badische Neueste Nachrichten