Telekom und Motorola: 5G-Slice für den Behörden-Funk
Seit über 30 Jahren wird diskutiert, ob die BOS ("Blaulicht") ein eigenes Funknetz haben oder im öffentlichen Mobilfunk gesichert mitfunken sollten. 5G-Slice wäre ideal geeignet, aber ist es auch gewünscht?
Die Deutsche Telekom und Motorola Solutions haben eine Vereinbarung zur Entwicklung neuer "MCx"-Breitbanddienste für Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben (BOS) getroffen. Auf einem dafür vorgesehen Slice im 5G-Netz sollen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste Vorfahrt für Video und Bilder bekommen können. Dabei hätten dann die Einsatz-Daten Priorität mit der "MCx" genannten und der Network Slicing-Technologie.
Die Telekom bringt in Deutschland nach eigenen Angaben "eine neue Kommunikationslösung für Einsatzkräfte" auf Basis ihres LTE- und 5G-Netzes an den Start. Einsatzkritische Informationen haben dann Vorfahrt im Netz der Telekom. Möglich machen dies Mission-Critical MCx-Breitbanddienste auf Basis von Motorola Solutions Technologie, und dem schon mehrfach erwähnten 5G-Network Slicing. Das soll für einen priorisierten Zugang für Ersthelfer über das Netz der Telekom sorgen und die Übertragung von Sprache und Daten im Einsatz ermöglichen.
Die Telekom baut ihr Lösungsangebot für die BOS in Deutschland mit mehreren strategischen Partnern aus. Eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnete das Unternehmen heute mit Motorola Solutions in Deutschland.
Mit Blaulicht Vorfahrt für Einsatzkräfte
Der dafür zuständige Telekom-Produktchef, Gottfried Ludewig, sieht sein Unternehmen "in Krisensituationen als idealer Partner für die Modernisierung der BOS-Kommunikation. Wir priorisieren kritische Einsatzdaten mit MCx-Technologie. MCx setzt den Daten ein Blaulicht auf, Daten ohne Blaulicht müssen dafür Platz machen. Wie ein Einsatzfahrzeug kommen die Daten bevorzugt durch unser Funknetz. Gleichzeitig reservieren wir Einsatzkräften über Network Slicing Kapazität im Mobilfunk. Zusammen mit unseren Kunden entwickeln wir die Technik für die Einsatzkräfte kontinuierlich weiter.“
Helmut Gaschler, Country Manager Deutschland und Vertriebschef für Zentraleuropa bei Motorola Solutions, stimmt ihm zu: „Im Einsatzfall ist es wichtig, dass Einsatzkräfte schnell einen Überblick über eine Lage erhalten, um effektiv handeln zu können. Unsere MCx-Lösung wird dabei helfen, Daten, Bilder und Videos sicher und zuverlässig zu übertragen." Motorola sei weltweiter Anbieter von sicherheitskritischen Kommunikationslösungen für über zwei Millionen Nutzer weltweit und seit über 15 Jahren "Pionier auf dem Gebiet der standardbasierten MCx-Technologie".
Interoperabilität zwischen Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten
MCx steht im Sprachgebrauch der BOS-Branche für standard-basierte Mission-Critical Services, die vor allem den schnellen Austausch von Sprache (Push-to-Talk), Daten und Videos in Echtzeit (Push-to-Video) ermöglichen. MCx soll im Netz für eine hochverfügbare, sichere und priorisierte Kommunikation sorgen. Durch die einheitliche Lösung MCx soll die Zusammenarbeit zwischen Einsatzkräften der Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste sichergestellt werden. Man denkt schon weiter: Die Telekom MCx-Plattform soll auch erlauben, dass 5G/LTE-Geräte und Smartphones mit bereits vorhandenen TETRA-Funkgeräten kommunizieren können.
Einsatzkräfte bekommen Rettungsspur im Mobilfunk
Network Slicing-Technologie wiederum reserviert Polizei und Feuerwehr Platz im Funknetz – vergleichbar einer Rettungsspur auf der Autobahn. Gerade wenn im Notfall viele ihr Handy gleichzeitig nutzen, haben die Einsatzkräfte so trotzdem eine sichere Kommunikation. Die Telekom hatte dies mit der Bundespolizei erfolgreich erprobt und 2024 auf dem Mobile World Congress in Barcelona vorgestellt. Das Produkt ist bei Kunden im Einsatz und hat während der Fußball-Europameisterschaft vergangenes Jahr seine Feuerprobe bestanden.
Partner für hochsicheren Funk und Drohnendetektion
Die Telekom ist bereits Dienstleister von Bund, Ländern und Kommunen beim heutigen TETRA-Funksystem. 150.000 Polizei-Beamte nutzen Telekom-Lösungen, zum Beispiel Führungs- und Leitsysteme. Thüringen etwa bekommt künftig ein Einsatzleitsystem von T-Systems. Der Konzern unterstützt die Polizei zudem im Bereich der Drohnen-Detektion.
Deutschlands größtes und bestes Mobilfunknetz
Die Ergebnisse zahlreicher unabhängiger Netztests bestätigen das Engagement der Telekom beim Netzausbau – sowohl bei 5G als auch bei LTE: Verschiedene Magazine haben die Telekom und ihr Mobilfunknetz 2024 erneut als Testsieger ausgezeichnet. Mit über 36.000 Mobilfunk-Standorten versorgt der Netzbetreiber mehr als 99 Prozent der Bevölkerung in Deutschland mit LTE – bei 5G sind es mehr als 98 Prozent. Auf der besonders schnellen 3,6-GHz-Frequenz funken bundesweit mehr als 15.000 5G-Antennen in über 1000 Städten und Gemeinden – mit Download-Geschwindigkeiten bis zu 1 Gigabit pro Sekunde. Und dennoch gibt es noch genügend Stellen, wo die Versorgung verbessert werden könnte oder dringend verbessert werden muss.
Eine Einschätzung (von Henning Gajek)
Wohlverstanden: Es gibt aktuell in Deutschland kein BOS-Netz auf einem 5G-Slice, weder von Telekom noch von Vodafone oder einem anderen. Das sind alles nur Demonstrationen, wie so etwas laufen könnte, wenn...
Langjährige Beobachter bekommen ein Déjà-Vu, das hatten wir doch alles schon einmal? Ja, aber das ist sehr lange her - über 30 Jahre. Da gab es noch die Messe CeBIT in Hannover. Die Telekom hatte dort eine eigene Halle alleine für sich, und in einer denkwürdigen Pressekonferenz boten T-Mobil (damalige separate Mobilfunktochter der Telekom unter Leitung von Norbert Hunsel), die Hersteller Motorola und Nokia den Behörden ein kostenloses (!) Mobilfunknetz an, das auf der damaligen Chekker-Bündelfunk-Technologie beruht hätte. Einzige Bedingung: Neben Polizei, Feuerwehr, Rettungsdiensten etc. hätten auch zahlende Firmen dieses Netz nutzen können und die Telekom hätte vertraglich zugesichert, dass auch bei Tarif-Streiks dieses Netz ungestört weiter laufen würde.
Eine bestimmte Region war schon startklar, dort hätte die Blaulicht-Fraktion sofort loslegen und testen dürfen. Durfte sie aber nicht. Die Behörden und die Politik sagten: "Nein".
Dann kam Mannesmann (heute Vodafone) und bot GSM-BOS an. Eine spezielle Technik im GSM-Netz von Mannesmann ("D2"), wo Polizei und Co. mit Vorrang hätten funken können, inkl. mobilen Basisstationen, wenn mal ein Einsatz ist, wo es noch kein fest aufgebautes Funknetz gibt. Damit die Chancen gewährt blieben, stieg sogar die T-Mobil unter dem legendären René Obermann mit einem eigenen Angebot mit ein. Die Antwort war wieder die gleiche: "Nein, wir wollen was eigenes."
Die Behörden haben sich dann für sehr viel Geld was "eigenes" gebaut, TETRA-BOS genannt und eine Behörde gegründet, die BDBOS (Bundesanstalt für den Digitalfunk der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben), die das Netz verwaltet. Es hat viele lange Jahre gedauert, bis es einigermaßen rund lief, und böse Zungen behaupten, bis heute laufe es nicht richtig - je nach Bundesland und finanzieller Ausstattung vor Ort.
Die Folge: In machen Fahrzeugen sind weiterhin zwei Funkgeräte verbaut, ein analoges und das digitale. Wenn es was wichtiges zu bereden gibt, greifen Polizei, Feuerwehren oder Rettungsdienste und Technisches Hilfswerk (THW) zum altbewährten Handy in den Netzen von Telekom, Vodafone oder o2 (weil die Polizeigewerkschaft vor Jahren einmal Handys im E-Plus-Netz "verschenkt" hat, um die Kommunikation zu verbessern). Rettungskräfte werden über eine App auf dem Handy alarmiert, obwohl es auch analoge und digitale Behörden-Pager gäbe.
Der Behördenfunk erlaubt Sprachtelefonie, aber kaum Daten. Schnelle Daten werden über LTE/4G oder 5G mit Smartphones (z.B. mit dem Apfel-Logo) im Netz der Handy-Anbieter übertragen, weil das Behördennetz das schlicht nicht kann.
Nun zeigt die Telekom nach Vodafone erneut, welche technischen Möglichkeiten es gäbe, quasi über Nacht ein schnelles, stabiles und recht weit ausgebautes Netz zu schalten, mit Priorität für die Blaulicht-Fraktion. Technisch sind die 5G-Slices für solche Anwendungen erfunden worden.
Würde der Staat endlich mal durchatmen und das Angebot annehmen, würde er massive Kosten sparen, weil auf ein bestehendes Netz und millionenfach verkaufte Technik zurückgegriffen werden könnte. Wo es noch Funklöcher gibt, wäre ausreichend Geld da, diese Funklöcher sofort zu stopfen, nicht nur für die Blaulicht-Fraktion, sondern zugleich für Jedermann.
Leider steht zu befürchten, dass Bedenkenträger und Angsthasen wieder nein sagen werden.
Klar: In kritischen Lagen wäre es gut, ein eigenes abgetrenntes und abgeschirmtes Netz zu haben, was aber Geld kostet, was nicht da ist oder dafür nicht ausgegeben werden kann oder darf. So werden die Polizeibeamten, Retter und hilfreiche Geister weiterhin ihr privates Handy aus der Tasche ziehen, damit im Ernstfall eine vernünftige Kommunikation gewährleistet ist.
Wenn sich die Behördenfunker doch noch dazu entschließen könnten, müssten wichtige Fragen geklärt werden: Was darf der Behördenmobilfunk von Telekom, Vodafone, o2 etc. kosten? Wird pro Minute, SMS und Megabyte abgerechnet? Oder gibts eine marktgerechte Flatrate? Und ruhig auch die Gegenrechnung aufmachen: Welche neue Technik wollen die Behördenfunker in Zukunft verwenden, wenn sie wieder alles bei Null neu aufbauen müssen? Was kostet das am Ende? Ich würde die BOS-Funker kostenlos aufs Netz lassen, wenn sie im Gegenzug den Vollausbau aller einsamen Ecken und weißen Flecken im Land bezahlen. Da hätten alle was davon.
Quelle und Foto: teltarif.de