Baden-Württemberg - DRK - Mosbach - Digitalfunk erreicht den entlegensten Winkel
Neckar-Odenwald-Kreis. Ein arbeitsintensiver Prozess ist für das Rote Kreuz Mosbach noch im alten Jahr zu einem guten Abschluss gekommen: Der Rettungsdienst für den Neckar-Odenwald-Kreis wurde vom Analog- auf den BOS-Digitalfunk umgestellt. Das ist das nicht-öffentliche Funknetz für „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“. Umgerüstet wurde nicht nur das Einsatzleitsystem in der Integrierten Leitstelle des DRK in Mosbach, sondern auch die Fahrzeuge. Für die Mitarbeiter wurden neue Sprechfunkgeräte angeschafft. „Der Sprung vom analogen in das digitale Zeitalter ist ein Meilenstein für die Arbeit des Rettungsdiensts“, fasst DRK-Präsident Gerhard Lauth zusammen.
Wichtigster Vorzug des neuen Systems ist, dass das Digitalfunknetz jeden entlegenen Winkel des Landkreises, jedes Waldstück und jede Schlucht abdeckt, vom Höllgrund bis zum Erftal, berichten DRK-Rettungsdienstleiter Robin Bracht und Fernmeldesachbearbeiter Jonas Barginde. „Auch die Fahrzeuge haben wir mit dem Digitalfunk besser im Blick“, verweist Barginde auf die grün und rot leuchtenden Punkte auf der digitalen Karte in der Leitstelle, die für die Rettungswagen und Krankentransportfahrzeuge stehen.
Wertvoll sei auch die deutlich verbesserte Sprachqualität im Vergleich zum Analogfunk. Das alles macht den Rettern in der Leitstelle und in den Fahrzeugen die Arbeit leichter. Die höhere Tonqualität hilft Leitstelle und Sanitätern, sich in einem Einsatz besser und schneller über die nötigen nächsten Schritte zu verständigen und so Menschen in Not effizienter zu helfen. Das neue System hilft aber auch den Notfallsanitätern, wenn sie selbst in Schwierigkeiten geraten, zum Beispiel, wenn sie angegriffen werden: Über Digitalfunk ist ein direkter Notruf in die Leitstelle möglich.
Nicht zuletzt ist das bundesweite BOS-System abhörsicher, zeitlich zu fast 100 Prozent verfügbar und dabei unabhängig vom „normalen“ Netz, zum Beispiel vom Mobilfunknetz. Die fast schon üblichen Unterbrechungen bei den bekannten kommerziellen Netzanbietern lassen die Digitalfunknutzer also kalt.
BEREITS 2006 GEPLANT
Bereits zur Fußballweltmeisterschaft 2006 sollte der Digitalfunk bundesweit eingeführt sein, seitdem läuft unter anderem bei den 34 baden-württembergischen Einsatzleitstellen die Umstellung. „Bis zum nächsten Fußball-Großereignis in Deutschland, der EM 2024, sollte die Umstellung dann tatsächlich abgeschlossen sein“, meinte Lauth mit einem Augenzwinkern.
Richtig ernst wurde es in der Leitstelle ab Herbst, als die IT-Fachleute begannen, die Daten der einzelnen Fahrzeuge und Geräte – jedem ist eine eigene Kennung zugeordnet – in das System einzuspielen. Die Ertüchtigung der entsprechenden Schnittstellen von der Leitstelle zum Netz zählte zur umfangreichen Vorarbeit.
NACH UND NACH UMGERÜSTET
Parallel wurden die 17 Krankentransportwagen (KTW), zehn Rettungswagen (RTW), fünf Notarzteinsatzfahrzeuge (NEF) und das Fahrzeug des Organisatorischen Leiters (OrgL) nach und nach umgerüstet. 36 Handfunkgeräte für die Einsatzkräfte wurden angeschafft, damit diese auch außerhalb des RTW und KTW in Kontakt mit der Leitstelle treten können.
Bestellt hatte man die Geräte bereits im September 2021, aber die Lieferzeiten sind lang, schließlich wurden und werden in ganz Deutschland die Retter nach und nach auf Digitalfunk umgestellt. Wobei Baden-Württemberg das letzte Bundesland ist, das umrüstet. Was kein Nachteil ist, findet Barginde. Denn so konnte man aus Problemen der anderen lernen. „Lieber langsam und dann gleich richtig“, war die Devise. Tatsächlich laufe das neue System reibungslos. „Alles funktioniert einwandfrei“, so Bracht.
Zeit kostete es auch, die Mitarbeiter für den Digitalfunk zu schulen. Rund 200 Sanitäterinnen und Sanitäter lernten in den vergangenen Monaten den Umgang mit dem neuen System. Die teilweise vorhandene Angst vor dem Ungewohnten habe man ihnen schnell nehmen können, sagt Barginde. Denn die Arbeit laufe nicht anders als bisher. „Inzwischen gibt es mehr Digitalfunk-Experten als Laien unter den Sanitätern“, schmunzelt er, „die meisten haben Lust drauf“.
Und was ist, wenn das System doch einmal ausfällt? Dann steht das vorhandene analoge Funknetz als Rückfallebene weiterhin zur Verfügung, so die beiden Experten. Auch an Stromausfall ist gedacht: Die Basisstationen sind mit Notstromaggregaten ausgestattet.
Einen hohen sechsstelligen Betrag investiert der DRK-Kreisverband Mosbach als Träger des Rettungsdienstes im Landkreis in die Umrüstung. „Wir sind froh, dass wir jetzt auf so eine moderne Technik zurückgreifen können, und froh, dass das DRK-Präsidium hinter uns stand“, so Jonas Barginde, der zugleich Disponent in der Leitstelle und stellvertretender Rettungsdienstleiter ist.
Zusammen mit seinem Kollegen, dem Fernmeldesachbearbeiter Yannick Spohrer, hat er die Umstellung organisiert. Refinanziert werden die Investitionen über die Kostenträger, das sind in dem Fall das Landratsamt und die Krankenkassen, wobei das DRK den Teil der Krankenkassen über die Abschreibungen mehrere Jahre vorfinanzieren muss.
GUTE ZUSAMMENARBEIT
Rückblickend auf den finanziellen wie organisatorischen Kraftakt gilt Bargindes Lob auch der stets guten Zusammenarbeit mit dem Landkreis, speziell mit Peter Schollmeier von der Stabsstelle Bevölkerungsschutz im Landratsamt.
Und ist die lange Geschichte der Umrüstung zum Digitalfunk damit nun beendet? „Mit der Umstellung in der Leitstelle ist der erste Evolutionsschritt abgeschlossen“, so Jonas Barginde.
Aber die Arbeit geht noch weiter, denn die DRK-Ehrenamtlichen in den Bereitschaften, die Helfer-vor-Ort-Gruppen und die Mobilen Retter arbeiten noch analog. Das soll in den nächsten Jahren angegangen werden.
Quelle und Foto: Fränkische Nachrichten